Glaziologie für Anfänger


Datierung von Eiskerne

Permafrost

Eine der wichtigsten Grundvoraussetzung für die Interpretation von Eiskernzeitreihen ist die exakte und detaillierte Datierung des Kerns, d.h. die Zeitzuordnung zu einem bestimmten Tiefenniveau. Auf dem höchsten Punkt des Eisschildes bewegt sich ein Eispartikel im Mittel mit der Geschwindigkeit der Akkumulationsrate A nach unten. Durch die Kompaktion des Firns ist bereits in den oberen 100 m das Alter mit der Tiefe des Firns nicht linear verknüpft. Zudem ändert sich die Akkumulationsrate von Jahr zu Jahr statistisch, aber auch langfristig systematisch. Deshalb variiert auch die zu erwartende Tiefe eines Zeithorizonts mit der integrierten Änderung der Akkumulationsrate.


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Weiterhin ist Eis ein plastisches Medium; es verformt sich aufgrund seines Eigengewichts und fließt in der Tiefe auch in lateraler Richtung. Eine Eisschicht bestimmter Dicke in der Mitte des Eisschildes nimmt somit mit zunehmender Tiefe in ihrer vertikalen Mächtigkeit ab. Da Eis nach dem Firnabschluss nahezu inkompressibel ist, nimmt die Schicht dafür an horizontaler Ausdehnung zu. Dieser Ausdehnungseffekt hat zur Folge, dass die Dicke einzelner Jahresschichten mit größerer Tiefe abnimmt, was die Tiefe-Alter-Relation des Eiskerns zusätzlich systematisch verändert. Um diese systematischen und statistischen Änderungen zu korrigieren muss der Eiskern mit Hilfe geeigneter Methoden datiert werden: a) Datierung mit Hilfe eines Fließmodells Hier müssen zur Datierung Computermodelle verwendet werden, die das Fließen von Eis bzw. die Ausdünnung berechnen. Durch Integration der inversen Vertikalgeschwindigkeit, d.h. der inversen Jahresschichtmächtigkeit mit der Tiefe kann das Alter des Eises in einer bestimmten Tiefe berechnet werden.


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b) Abzählen von Jahresschichten in saisonal variierenden Eis- parametern, wie z.B. elektrische Leitfähigkeit, Dichte, d18O oder Aerosolchemie. Die Isotopie des Wassers ist starker Glättung des Profils durch Diffusion ausgesetzt, so dass bei geringer Akkumulationsrate kein Jahresgang mehr erkenntlich ist. Die aufwendig zu messenden chemischen Parameter sind von diesen Effekten meist nicht so stark beeinflusst und gestatten optimale Datierung.


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Datierung von Eiskernen mittels DiElectricProfiling-Messung (DEP), es handelt sich hierbei im wesentlichen um die Bestimmung der elektrischen Leitfähigkeit an Eiskernen. Die Leitfähigkeit zeigt Schwankungen z.B. bei großen Vulkanausbrüchen. Die Spurenstoffe vulkano-genen Ursprungs enthalten einen hohen Anteil an Säuren, die Protonen in das Eis bringen. Aber auch jährliche Schwankungen aufgrund der unterschied-lichen Zusammensetzung der Ablagerungen sind vorhanden, so dass die Messkurven zur Datierung von Eiskernen verwendet werden können. Der Vorteil dieser Messung liegt darin, dass sie am vollstänigen Eiskern ohne diesen zu beschädigen oder Teile davon aufzuschmelzen direkt im Feld gemessen werden können und damit die Daten zur Interpretation sehr schnell vorliegen.


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In sehr grosser Tiefe wo Jahresschichten nur noch Millimeter betragen oder bei sehr geringer Akku-mulationsrate können auch mit diesen Verfahren keine Jahresgänge mehr aufgelöst werden. Um solche abgezählten Jahre zu überprüfen, bedarf es: c) unabhängige Zeitmarker Besonders prominente Zeithorizonte sind z.B. Konzentrationspeaks in Sulfatkonzentrationszeitreihen, die durch den vulkanogenen Eintrag von H2SO4 -Aerosol in den Jahren nach einer großen Eruption verursacht werden. Zusammen mit dem Abzählen einzelner Jahre können Datierungsgenauigkeiten von wenigen Jahren erreicht werden. Dies ist aber nur für den Zeitraum möglich, über den exakt datierte Vulkanausbrüche bekannt sind.


d) Radioisotopenuhren wie z.B. 14C. Bemühungen Eiskerne mittels 14C in CO2 in Eiskernlufteinschlüssen zu datieren, scheiterten bisher an der in situ Produktion von 14C, die den 14C Gehalt künstlich erhöht. Weitere Radioisotopenuhren (z.B. U/Th) konnten bisher für Eiskerne nicht erfolgreich eingesetzt werden. e) Kosmogene Radioisotope, die längerfistigen periodischen Produktionsschwankungen und damit Konzentrationsschwankungen im Eis unterworfen sind, ermöglichen es, in Niedrigakkumulationsgebieten eine Datierung durch Abzählen dieser Periodizität aufzustellen. So ist z. B. 10Be aufgrund des 11jährigen Zyklus der Sonne (sog. Schwabezyklus), einer solchen Produktionsvariation unterworfen, die auch in Eiskernen nachgewiesen werden kann. f) Kurzlebige Radioisotope, die z. B. durch die oberirdischen Atomwaffentests in den 50er und 60er Jahren in die Atmosphäre eingebracht wurden, sind immer noch in Eiskernen nachweisbar. So können die Maxima des nuklearen Eintrags (1954, 1963, Tschernobyl 1986) durch Messung der Gesamtbetaaktivität an Eisproben nachgewiesen und der Eiskern somit datiert werden.


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Für sehr lange Zeitskalen versagen jedoch bisher alle diese unabhängigen Datierungsmethoden und es muss auf mehr oder weniger gute Modellrechnungen zurückgegriffen werden. Eine weitere Möglichkeit ist, Paläoeiskernzeitreihen mit anderen datierbaren Archiven (z.B. Meeressedimente) oder mit Antriebsfaktoren, wie z.B. Variationen der solaren Einstrahlung aufgrund der Milankovitch Zyklen zu korrelieren. Ein solches "wiggle matching" macht jedoch Annahmen über die Phasenbeziehung der zwei korrelierten Zeitreihen not-wendig und kann somit nicht zum Verständnis des Zusammenwirkens des Klimasystems beitragen.